Allgemein

In vielen Bereichen einfach zu wenige Bewerber

18. Oktober 2019

von Christian Licha

„Der Ausbildungsmarkt hat sich in den letzten Jahren deutlich zu Gunsten der Bewerber verändert“.

Das war die Kernaussage von Berufsberater Peter Stretz zur Ausbildungssituation im Landkreis Haßberge, der seinen Bericht bei der Sitzung des Kreisausschusses für Arbeit, Wirtschaft und regionale Entwicklung am Donnerstag dem Gremium vortrug.

Waren vor zehn Jahren noch doppelt so viele Bewerber wie Ausbildungsstellen vorhanden, kommen nach den aktuellen Zahlen von August diesen Jahres 511 Bewerber auf 617 Ausbildungsstellen. Seit 2017 wendete sich die Schere zwischen Bewerber und Stellen im Landkreis Haßberge, wobei die gesamte Region Main-Rhön schon drei Jahre zuvor diese Veränderung erfuhr. Während die Schulabgänger aus Mittel- und Realschule nahezu gleich blieben, verringerte sich die Zahl der Schüler, die mit Fachhochschulreife beziehungsweise Abitur eine Ausbildungsberuf erlernen wollten, um durchschnittlich gut ein Drittel in den letzten drei Jahren. Ein deutliches Ungleichgewicht gibt es in den Berufsbereichen Maler/Bautenschutz, Verkauf/Handel, Hochbau und Lebensmittelherstellung. Hier übersteigen die offenen Ausbildungsstellen oft ein vielfaches der Bewerber. Spitzenreiter ist hierbei der Verkauf von Lebensmitteln, bei dem zwei Bewerber die Auswahl unter 28 offenen Stellen hatten. Umgekehrte Verhältnisse herrschen im Bereich Unternehmensorganisation inklusive Verwaltung. Bei 27 Stellenangeboten gab es hier 64 Bewerber. Als besonderes schwierig bezeichnete Stretz die Situation in den Pflegeberufen. Nach seinen Angaben sei das Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt beispielsweise schon dazu übergegangen, eine einjährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer für Mittelschüler anzubieten. Mit dieser Qualifikation sei dann eine weitere Ausbildung zum Krankenpfleger möglich. Auf Nachfrage von Kreisrat Paul Hümmer (SPD) stellte sich heraus, dass im Pflegebereich die Schüler von Berufsfachschulen in keiner Statistik erscheinen.

„Jeder Schüler, der noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, bekommt von uns ein persönliches Angebot“, erklärte der Berufsberater und wies gleichzeitig darauf hin, dass die Zahl derer bei nur fünf Prozent liege. Alle anderen haben einen Ausbildungsplatz beziehungsweise eine Arbeitsstelle gefunden oder qualifizieren sich weiterhin auf dem schulischen Weg. Als gut integriert bezeichnete Stretz Dreiviertel der 63 Schüler der Berufsintegrationsklassen, die nach der Schule in Ausbildung gingen, eine Arbeit aufnahmen oder weiterhin sich schulisch fortbilden. Es sei unrealistisch von noch höheren Zahlen auszugehen, sagte Landrat Wilhelm Schneider und wähnt sich mit dieser Quote im oberen Bereich im Gegensatz zu größeren Städten.
Anja Güll stellte den Kreisräten die Aktionen der Bildungsregion zur Fachkräftesicherung vor. So hab die Bildungskoordinatorin besonders das Projekt „Jobentdecker 2019“ vor, das kürzlich stattfand. Vier junge Frauen lernten dabei 16 Berufsfelder kennen und teilten ihre Erfahrungen in den sozialen Medien mit etwa gleichaltrigen Jugendlichen. Aus Sicht der beteiligten Unternehmen gab es bei einer Umfrage sie Schulnote 1,75 für diese besondere Aktion, die Schulabgängern die verschiedensten Berufsbilder näher bringen sollen. Die Jobentdeckerinnen waren auch sehr begeistert von den erlebnisreichen Wochen und vergaben sogar die Note 1,33. Im kommenden Jahr soll die Jobentdecker-Tour auf jeden fall wieder stattfinden, so Güll. Erweitert wird das Angebot unter anderem mit einem Bustour-Konzept. Die Bildungsregion als Vermittler plant gemeinsam mit Schulen und Unternehmen hierbei Fahrten zu Betrieben. Angedacht sind zum Beispiel auch themenspezifische Touren, wie etwa einer Handwerks-Tour, einer Gastro-Tour oder einer Tour de „Duales Studium“.
Einen Rückblick auf vergangene Aktivitäten und eine Vorschau auf künftige, gab Sonja Gerstenkorn vom Regionalmanagement. Seit einem Jahrzehnt sei man hier aktiv in verschiedenen Bereichen. Dahseinsvorsorge, Belebung der Innenorte, Informationskampagnen und Kompetenzregion Landkreis Haßberge lauten die Stichworte, die in den kommenden Jahren besondere Aufmerksamkeit erfahren. Unter anderem will man beim Aufbau geplanten Technologietransferzentrums mitwirken, über Standortmarketingmaßnahmen nachdenken oder Informationsveranstaltungen zur Ortskernbelebung abhalten. Willkommensveranstaltungen für Neubürger, ein Landkreisbuch für Grundschüler oder ein öffentlichkeitswirksamer Fotowettbewerb sind ebenfalls angedacht. Bei geplanten Kosten in Höhe von etwas über 560000 Euro für die Jahre 2019 bis 2021, ist eine Förderung von 450000 Euro zu erwarten, so dass der Landkreis nur 20 Prozent selbst tragen muss.
Als Gesellschafter der Region Mainfranken GmbH, dessen Vorsitzender zur Zeit Landrat Wilhelm Schneider ist, beschloss der Ausschuss als erster Gesellschafter überhaupt, die vereinbarungsgemäß alle fünf Jahre steigenden Gesellschafterzuschüsse. Insgesamt werden diese um 47000 Euro auf 517000 Euro erhöht, wobei der Anteil des Landkreises Haßberge 7,02 Prozent oder rund 36000 Euro beträgt. Die Erhöhung sei notwendig, um die Mehrkosten im Personal- und Sachkostenbereich abzufangen und einem erhöhten Aufwand in Verbindung mit der bevorstehenden Ausarbeitung eines Zukunftsbildes für die Regiopolregion auszuarbeiten, erklärte Wirtschaftsförderer Michael Brehm. Landrat Wilhelm Schneider sprach sich dafür aus, eventuell darüber nachzudenken, anstatt der alle fünf Jahre stattfinden Erhöhung, zukünftig eine automatische jährliche Steigerung in Höhe der Inflationsrate in Betracht zu ziehen.

Symbolfoto: Kaum ein Jugendlicher entwickelt heute noch ein „Herz“ für die Berufe, die sich mit dem Verkauf von Lebensmittel befassen. Foto: Kzenon by fotolia

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