Allgemein Sand am Main

Ohne „große Politik“ keine Kommunalpolitik

21. Januar 2019

Wollen mit der Schaffung von Wohnraum mit Sozialbindung vorangehen. Von links nach rechts Heike Scheuring, Paul Hümmer, Andrea Roth, Uwe Hartmann, Winfried Schütz, Roland Mahr, Bernhard Ruß, Bastian Hümmer und Klaus Holland.

Sand. Seit über 30 Jahren gibt es die kommunalpolitische Kaffeerunde der Sander SPD bei der es um die Gemeindepolitik geht. „Kommunalpolitik ist jedoch mehr als das, was in der eigenen Gemarkung passiert“, machte Bürgermeister Bernhard Ruß in seinem Referat bei der diesjährigen Zusammenkunft in der Pizzeria „La Fontana“ deutlich.

„Ohne Europa-, Bundes- und Landespolitik gibt es keine Kommunalpolitik“, sagte das Gemeindeoberhaupt. Gerade die Entwicklung in Europa, hier insbesondere in England, zeige wie die große Politik in die Lebenssituation der Menschen hineinspiele. Die Auswirkungen des Brexit bekämen die Menschen in England deutlich zu spüren, aber auch die deutsche Wirtschaft werde davon betroffen sein und somit viele Arbeitnehmer in einem exportorientierten Land wie Deutschland.

Wenn dann auch noch eine Partei, die inzwischen zweistellige Wahlergebnisse einfährt, den Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union, ja sogar die Auflösung der EU fordere, so habe das mit einer Protesthaltung nichts mehr zu tun. In einer Zeit, in der sich die großen Mächte USA und China allein auf ihre Interessen besinnen und sich auch die asiatischen Staaten zusammenschließen, habe nur ein starkes und einiges Europa die Chance, sich in diesem Wettbewerb zu behaupten. Die europäischen Länder als einzelne würden zum Spielball der Mächtigen werden. Ruß: „Eine rein national ausgerichtete Politik würde Deutschland zurück ins 19. Jahrhundert befördern.“ Das sollten die Bürgerinnen und Bürger bedenken, wenn sie bei den Wahlen auf verschiedenen Ebenen ihre Stimme abgeben. So auch bei der Europawahl am 26. Mai 2019. Der Bürger müsse, siehe England, die Auswirkungen seiner Entscheidung konsequent zu Ende denken.

Die „große Politik“, so Ruß weiter, habe die Gemeinde auch bei der Frage der weiteren Nutzung des Gemeindehauses eingeholt. Von Unterkunft für Asylbewerber oder Wohnraum für finanziell schwächer gestellt Mitbürgerinnen und Mitbürger war in der bisherigen Diskussion die Rede. Ebenso die Frage, welche staatlichen Fördermittel es gibt. Die Höhe und Art der Förderung wird letzten Endes wohl über die Nutzung entscheiden. In der Bürgerversammlung vom letzten November, referierte der Bürgermeister, sei klar zum Ausdruck gekommen, dass Hauptgebäude und Scheune abgerissen und dafür auf dem Grundstück ein Wohnhaus mit vier bis sechs Wohneinheiten errichtet werden sollen. Bei der Gestaltung des Gebäudes sollten nach Möglichkeit die brauchbaren alten Sandsteinquader wiederverwendet und somit eine gewisse Sandstein-Optik erhalten bleibe.

Für den wegfallenden Lagerraum in der Scheune und im Gemeindehaus, müssten für den gemeindlichen Bauhof und das Orga-Komitee Altmain-Weinfest Platz geschaffen werden. Da die Utensilien des Orga-Komitees bisher über mehrere Gebäude in der Ortschaft verteilt seien, die Gemeindescheune am Altmain in einem schlechten Zustand sei und auch die Vereinscontainer am Campingplatz in die Jahre gekommen seien, werde derzeit über eine gemeinsame Lagerhalle von Gemeinde, Orga-Komitee und Ortsvereinen nachgedacht. Denkbar wäre ein solches Gebäude auf dem Bauhofgelände an der Seestraße. Die Bauverwaltung erarbeite mit den Vereinen derzeit ein Raumkonzept.

Die enge Verzahnung der Landes- und der Gemeindepolitik verdeutlichte Ruß am Beispiel der Grund- und Mittelschule. Bildungspolitik, so Ruß, sei zunächst Ländersache. Ihre Auswirkungen auf die Gemeinde seien jedoch erheblich. Die Ganztagesschule sei von ihrem Grundkonzept eine hervorragende Sache. Nur sei sie vom Staat in ihren Auswirkungen nicht konsequent zu Ende gedacht, zumindest nicht aus Sicht der Kommunen. Bei der Ganztagesbeschulung erfolgt die Betreuung der Kinder von 8.00 bis 15.30 Uhr, allerdings nur von Montag bis Donnerstag. Für den Freitag komme der Freistaat nicht auf. Da müsse die Kommune einspringen.

Die Gemeinde, so Ruß weiter, könne dies, weil sie selbst eine offene Mittagsbetreuung unterhalte. Diese ist im Obergeschoss des Rathauses neben der Verwaltung untergebracht. Die Kinder werden nicht nur mit einem Mittagessen versorgt. Bis 14.00 Uhr können sie unter Aufsicht spielen, danach werden mit ihnen die Hausaufgaben erledigt. Um 16.00 Uhr gehen die Kinder nach Hause. Dafür gibt es sogar finanzielle Unterstützung durch den Staat. Allerdings nur, wenn die Eltern mindestens zwei Tage für die Kinder buchen. Da die Kinder, die die Ganztagesschule von Montag bis Donnerstag besuchen, am Freitag nur für einen Tag in die offene Mittagsbetreuung gehen, bekommt die Gemeinde keine staatliche Förderung. Derzeit trifft dies für 19 Kinder zu. Die Gemeinde sei in der Vergangenheit auch dann eingesprungen, wenn für die Individuelle Förderung in der Ganztagesschule Lehrkräfte fehlten. Da die Gemeinde über pädagogisch ausgebildete Fachkräfte (Erzieherin, Sozialpädagogin) verfüge, habe ein Teil des Ausfalls kompensiert werden können.

„Zu Beginn seiner Amtszeit“, meinte der Bürgermeister schmunzelnd, ist die Gemeinde als Sachaufwandsträger nur für Heizung, Wasser, Strom und Klopapier zuständig gewesen. Jetzt gestaltet und organisiert sie die Schule mit.“ Damit verbunden sei ein personeller und finanzieller Mehraufwand den die Gemeinde leiste, der aber in der öffentlichen Diskussion kaum wahrgenommen werde.

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