Allgemein Sand am Main

Wo sich Hund und Hase gute Nacht sagen

12. Juni 2020

Von Christian Licha
Sand. Lasko liegt entspannt in seinem heimischen Garten, die Pfoten von sich gestreckt. Vor ihm hoppelt ein junges Feldhäschen, das er nicht aus den Augen lässt. Man könnte fast meinen, der sechsjährige Australian Shepherd-Mix hat Vatergefühle entwickelt, so rührig kümmert er sich um das kleine Wollknäuel und folgt ihm auf Schritt und Tritt. Lasko war es auch, der dem Häschen vor gut zwei Wochen wohl das Leben gerettet hat.

 

Es war an einem regnerischen Samstag. Karl-Heinz Mahr sitzt am Küchentisch und liest Zeitung als plötzlich seine Frau Ilse im Wintergarten zu schreien anfängt. Irgendetwas stimmte nicht mit Lasko, der gerade im Garten war. Karl-Heinz Mahr geht der Sache auf den Grund und findet das völlig durchnässte und unterkühlte Feldhäschen, welches der Hütehund mit der Nase in Richtung Haus stupste. Der ehemalige Korbmacher brachte Hasi, wie es jetzt liebevoll genannt wird, ins Haus zu seiner Frau. Gemeinsam leistet das Ehepaar sozusagen „Erste Hilfe“, säubert, trocknet und wärmt das Jungtier. „Danach hat man schon gesehen, wie es wieder sichtlich munterer wurde“, berichtet Karl-Heinz Mahr, nach dessen Einschätzung das Feldhäschen ohne menschliche Hilfe wahrscheinlich eingegangen wäre.

 

Mittlerweile ist Hasi wieder putzmunter und hat in rund zwei Wochen sein Gewicht mehr als verdoppelt. Wog das Findelkind am Anfang nur 150 Gramm, so bringt es jetzt über 300 Gramm auf die Waage. Mehrmals täglich füttert Ilse Mahr mit einem speziellen Trinkfläschen Milch, die ersten Tage pur und später dann mit Karotteneinlage. „Das verträgt er sehr gut“, erzählt die „Ersatzmama“. Täglich darf der kleine Mümmelmann den großen Garten erkunden. Oder ist es eine Mümmelfrau? So genau wissen es die Mahrs noch gar nicht. Auf jeden Fall ist Lasko immer an seiner Seite und passt auf, dass sich sein Zögling nicht in Gefahr begibt. Nur eines kann der Familienhund nicht ertragen: „Lasko gefällt es überhaupt nicht, wenn Hasi versucht an seinen Brustwarzen zu nuckeln“, lacht Ilse Mahr, die zusammen mit ihrem Mann fest entschlossen ist, das Feldhäschen weiterhin aufzupäppeln.

 

„Es ist grundsätzlich strafbar sich aus Wald und Flur ein Wildtier anzueignen“, sagt der Haßfurter Rechtsanwalt und Landtagsabgeordneter Steffen Vogel, der auch stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Haßfurt des Landesjagdverbandes Bayern ist. Bei dem Geschehen in Sand handele es sich jedoch um einen Sonderfall, erklärt Vogel. Schließlich habe die Familie Mahr nicht irgendwo das Häschen mitgenommen, sondern es ist eigenständig zu ihnen in den Garten gekommen. Außerdem haben Karl-Heinz und Ilse Mahr dahingehend richtig gehandelt, dass sie sofort die zuständige Jagdpächterin kontaktiert haben, um das weitere Vorgehen zu besprechen. „Die Jagdpächterin hat ihr ausdrückliches Einverständnis erklärt, dass sich die Familie Mahr weiterhin um den Hasen kümmert“, ergänzt Steffen Vogel, der damit keinen Straftatbestand mehr als erfüllt ansieht. Die Familie Mahr habe eigentlich sogar im Sinne des Natur- und Tierschutzgesetzes gehandelt. Das Muttertier hätte sein Junges aufgrund des bereits erfolgten Kontaktes mit dem Hund nicht mehr angenommen, so der Jagdexperte.

 

Vogel macht aber auch deutlich, dass man auf keinen Fall ein Rehkitz oder ein anderes Wildtier in der freien Natur anfassen oder den Hund hinlassen darf: „Das bedeutet möglicherweise den Tod des Jungtieres“. Die bessere Handlungsweise ist es den Jagdpächter zu verständigen, wenn man vermutet, dass ein Tier Hilfe benötigt. Bei der örtlichen Polizeidienststelle kann man sich jederzeit nach den Kontaktdaten des zuständigen Jägers erkundigen.

 

Ob das Hasenkind in Sand, wenn es einmal groß und stark ist, wieder ausgewildert werden kann, muss die Zukunft zeigen. Ansonsten könnte Hasi auch bei den Mahrs sein Leben genießen, die schon immer eine sehr tierliebe Familie sind. Unter anderem besitzen die Sander auch zwei Hähne und ein gutes Dutzend Hennen, die Lasko natürlich ebenso im Blick hat. Sollte mal ein Bewohner des großzügigen Hühner-Areals entwischen, wird es mit der Hundeschnauze liebevoll aber bestimmt zurück in sein Refugium dirigiert.

 

Die gute Nase von Lasko war es auch, die Familie Mahr vor gut zwei Jahren vor einer Katastrophe bewahrt hat. Durch seine Unruhe und ständiges Bellen veranlasste der Vierbeiner sein Herrchen in den ersten Stock des Wohnhauses zu schauen. Dort entdeckte Karl-Heinz Mahr beißenden Rauch, der durch einen Brand mit technischer Ursache ausgelöste wurde. Die herbeigerufene Feuerwehr hatte das Geschehen schnell unter Kontrolle. 

 

Bild: Australian Shepherd-Mix Lasko kümmert  sich rührig um den kleinen Feldhasen und lässt ihn nicht aus den Augen. Foto: Christian Licha

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Mehrmals täglich wird der kleine Hase von „Ersatzmama“ Ilse Mahr gefüttert. Foto: Christian Licha

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