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Haßberg-Kliniken wollen „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ werden

4. März 2019

Haßfurt. Die Haßberg-Kliniken streben das Qualitätssiegel „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ an. Dazu erarbeiten das Krankenhaus, die Selbsthilfegruppen in der Region und die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KOS) am Landratsamt Haßberge derzeit ein Konzept. Bei einer Auftaktveranstaltung in der vergangenen Woche zeigte sich, dass man schon jetzt auf einem guten Weg ist.

„Der zweite Platz ist machbar!“ Lisbeth Wagner schmunzelte. Zwar, so die Mentorin des Netzwerks „Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen“, können die Haßberg-Kliniken in Unterfranken nicht mehr zum absoluten Vorreiter und zur Nummer eins werden – diesen Status besetzt das Bezirksklinikum Lohr. Das ändert aber nichts daran, dass die Idee, die die Verantwortlichen in den kommenden Monaten in die Tat umsetzen werden, eine sehr gute ist und Vorbildcharakter für das Gesundheitswesen in der Region besitzt.

Als zweite Klinik im Unterfranken bemühen sich die Haßberg-Kliniken um den Titel „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“. Bei einer Auftaktveranstaltung im Konferenzraum des Ärztehauses 1 wurde in der vergangenen Woche vorgestellt, welche Intention sich hinter dem Qualitätssiegel verbirgt. Selbsthilfegruppen, Krankenhaus und die KOS sollen und wollen noch besser und enger zusammenarbeiten – zum Vorteil für Patienten und medizinisches Personal.

Entstanden ist die Idee im Landratsamt bei der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (KOS) und ihrer Leiterin Monika Strätz-Stopfer. Bei den Haßberg-Kliniken rannte sie mit ihrem Vorschlag offene Türen ein. Bereits seit Jahren arbeitet man inhaltlich – zum Beispiel bei den jährlichen Gesundheitstagen oder bei der Umsetzung gesundheitlicher Themen wie Organspende oder Depression – sehr gut zusammen. Jetzt will man gemeinsam und zusammen mit Vertretern- der Selbsthilfe einen weiteren Schritt gehen. Dabei regiert „Frauenpower“, wie Landrat Wilhelm Schneider bei der Auftaktveranstaltung feststellte. Neben Monika Strätz-Stopfer laufen bei Natalja Kruppa, der neuen Selbsthilfebeauftragen der Haßberg-Kliniken, und bei Karin Kramer, Öffentlichkeitsreferentin des Krankenhauses, die Fäden zusammen.

Das Trio ist so etwas wie der Motor des Projekts. Einer, der, um im Bild zu bleiben, mit jeder Menge Sprit von Seiten des Personals und der Selbsthilfe gefüttert wird. „Das Interesse ist sehr groß und viele wollen sich miteinbringen“, freute sich Natalja Kruppa, die nach der Auftaktveranstaltung eine lange Liste von Gruppen und Personen, die mit ins Boot steigen wollen, vorlegen konnte. Der Start des Projekts ist mehr als geglückt.

„Das Miteinander von medizinischem Know-how und Erfahrungswissen von Betroffenen ist für alle Beteiligten eine Bereicherung“, machte Landrat Wilhelm Schneider in seiner Begrüßung klar. Die positiven Effekte der Selbsthilfe für die Lebensqualität von Patient*innen sowie die Angehörigen seien schon lange bekannt.

Und für die Haßberg-Kliniken kein Neuland! Oder um es mit den Worten von Stephan Kolck, Vorstand des Kommunalunternehmens, zu sagen. „Es gibt bereits mehr als nur eine Grundlage. Wir kooperieren bereits in vielen Bereichen.“ Eine Ansicht, die Lisbeth Wagner nur bestätigen konnte. „Sie sind schon mittendrin und auf einem sehr guten Weg.“

Auf dem gilt es nun, die bereits vorhandenen Angebote zu strukturieren, zu konkretisieren und in ein Konzept zu packen, mit dem die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Gruppen auf eine breite und noch verlässlichere Basis gestellt werden kann. Bis hin zu einem Kooperationsvertrag zwischen den Beteiligten. Ein Prozess, bei dem KOS, Krankenhaus und Vertreter von Selbsthilfegruppen miteinander agieren und sich regelmäßig austauschen. Unter anderem in einem Qualitätszirkel, der erstmals am 19. März zusammenkommt. Für Wilhelm Schneider das „Herzstück“ des Projekts. „Hier sollen die genauen Ziele formuliert und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten erarbeitet werden“, blickte der Landrat schon einmal ein wenig in die Zukunft.

„Wichtig ist, dass sie miteinander Ideen entwickeln“, gab Lisbeth Wagner den Verantwortlichen mit auf dem Weg. Die Mentorin ist in Sachen „Selbsthilfefreundliches Krankenhaus“ eine echte Vorreiterin, initiierte sie doch in Regensburg das erste bayernweite Projekt maßgeblich mit.

„Selbsthilfe und Klinik sollten sich auf Augenhöhe begegnen“, führte sie aus. Dann könnten sie am besten voneinander, vor allem aber die Patientinnen und Patienten profitieren. Die Zeiten, in denen Selbsthilfegruppen als „Jammerrunden“ galten, seien längst vorbei. „Die Akzeptanz hat sich gewandelt. Selbsthilfe ist im Gesundheitswesen angekommen und wird nachgefragt.“

Gerade für das medizinische Personal seien die Erfahrungen von Betroffenen mit einer Krankheit oft „sehr erleuchtend“. Schließlich kennen sie die Krankheit zwar medizinisch, haben sie aber nie am eigenen Leib erlebt.

Mindestens genauso wichtig wie der Austausch sei aber die Präsenz der Selbsthilfe in den Kliniken. Die Gruppen müssen erkennbar, der Kontakt ohne große Probleme möglich sein. Wie das aussehen könnte, dazu hatten die Beteiligten schon zum Auftakt jede Menge Ideen, die sie – im Rahmen eines „Worldcafé mit Gallery Walk“ – an Pinnwänden festhielten.

Die Palette reichte dabei von einer Patientenmappe, in der auch der KOS-Flyer mit allen Selbsthilfegruppen enthalten ist (am besten direkt hinter dem Speiseplan, den jeder liest), über Besuche von Selbsthilfegruppen-Aktiven auf Wunsch am Krankenbett, entsprechende Hinweise bei der Entlassung, Gesprächsangebote im Vorfeld von geplanten Operationen, bis hin zu Treffen von Selbsthilfegruppen in vom Krankenhaus zur Verfügung gestellten Räumen. In vielen Gesprächen wurde zudem klar, dass sowohl Klinik-Personal als auch Selbsthilfe an einem noch engeren Miteinander interessiert sind.

„Wenn das so bleibt und Sie Ihren Weg konsequent weitergehen“, fand Lisbeth Wagner, „dann habe ich keinerlei Zweifel, dass Sie den zweiten Platz holen werden und sich noch deutlich vor der Uniklinik Würzburg, die den Prozess ebenfalls gestartet hat, schon bald mit dem Siegel ,Selbsthilfefreundliches Krankenhaus‘ schmücken dürfen.“

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