Allgemein

Vom klassischem Hausarzt wird man sich verabschieden müssen

19. Juli 2019

Rauhenebrach. Dr. Otto Ehrler ist ein Hausarzt klassischer Prägung. Seit 36 Jahren praktiziert der gebürtige Schwabe in der Steigerwaldgemeinde Rauhenebrach, seine Patienten schätzen und lieben ihn.
Doch andere im Alter von Otto Ehrler sind schon im Ruhestand – und wie dann die ärztliche Versorgung in der Gemeinde aussieht, das treibt Bürgermeister Matthias Bäuerlein und viele Bürger um. Weil das Thema bei fast allen Bürgerversammlungen angesprochen wurde, hatte Matthias Bäuerlein zu einer Informationsveranstaltung zu dem Thema in die Aula der Schule eingeladen.
Groß war das Interesse an den Ausführungen des Bürgermeisters, von Oliver Legler vom Kommunalbüro des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, von Benjamin Herrmann von der Gesundheitsregion Plus Haßberge und von Dr. Ehrler selbst.
Der kündigte unumwunden an, dass er schon noch zwei Jahre zu praktizieren plant, Teilzeit sei das für ihn auch länger denkbar, wenn er gesund bleibt. Natürlich hat er sich bereits umgetan, einen Nachfolger zu finden, aber „vom Hausarzt wie Ihr ihn kennt, muss man sich in Zukunft weitgehend verabschieden“, erklärte er klipp und klar. Dass junge Ärzte lieber im Team arbeiten und auch heute andere Vorstellungen von Work-Life-Balance haben, das bestätigten auch Oliver Legler und Benjamin Herrmann. Zudem seien die meisten Medizinstudenten weiblich und die hätten andere Lebensplanungen, was man akzeptieren müsse.
Legler hatte zuvor erläutert, wie die Kassenärztliche Vereinigung die Strukturen aufbaut, um ihrem gesetzlichen Auftrag der flächendeckenden medizinischen Versorgung nachzukommen. Rauhenebrach liegt am südlichen Rand des Versorgungsgebietes Haßfurt, das bis Riedbach und Königsberg reicht. Dieser Raum weist mit 36 Hausärzten einen Versorgungsgrad von 95,2 Prozent auf – für die kassenärztliche Vereinigung gibt es damit keinen Grund, aktiv steuernd einzugreifen, es gibt allerdings auch keine Niederlassungssperre. Auf den zweiten Blick wird die Lage prekärer, denn nicht nur, dass mehr als ein Drittel dieser Hausärzte bereits ihren 60. Geburtstag gefeiert haben, 19 dieser 36 sitzen alleine in Haßfurt (11) und Eltmann (8).
Bürgermeister Matthias Bäuerlein erläuterte, dass der Gemeinde die Situation natürlich bewusst sei. Weil die ärztliche Versorgung eigentlich nicht Angelegenheit der Kommunen ist, habe er Beratung beim Kommunalbüro gesucht, ebenso das Gespräch mit Dr. Ehrler. Dass ein Arzt so offen mit dem Thema umgeht, sei die absolute Ausnahme, so Oliver Legler, der mit zwei Kollegen insgesamt 400 Kommunen berät. Er zeigte der Gemeinde auf, wo sie auf sich aufmerksam machen kann bei der Suche nach einem Hausarzt. Auch der Landkreis Haßberge als Gesundheitsregion ist seit Jahren bemüht, sich als attraktiver Standort für junge Ärzte zu präsentieren. Benjamin Herrmann zeigte auf, mit welchen Aktivitäten die Vorbehalte gegenüber einem Leben und Arbeiten im ländlichen Raum ausgeräumt werden sollen. Viele Hausärzte aus dem Landkreis seien sehr engagiert, hätten sich mittlerweile als akademische Lehrpraxis zertifizieren lassen, damit Medizinstudenten dort ihre Pflichtpraktika absolvieren können. Dabei gehe es auch darum, den Hausarztberuf wieder attraktiver zu machen, der in den vergangenen Jahren einen herben Imageverlust hinnehmen musste. „Es gibt heute pro Kopf mehr Ärzte als vor 30 Jahren, aber immer weniger entschieden sich in den letzten Jahren für den Allgemeinmediziner“, so Oliver Legler.
Die Politik versuche seit Jahren gegen zu steuern, mit mehr Studienplätzen, dem gesonderten Studiengang Allgemeinmedizin in Würzburg, aber auch dem Landärzte-Förderprogramm, das Praxisgründungen finanziell unterstützt. Die Effekte brauchen aber Zeit, denn Studium und Facharztausbildung dauern mindestens elf Jahre insgesamt.
Intensiv wurde diskutiert, Kritik wurde laut, dass die Versorgung nur im Blick auf den gesamten Raum „gemessen“ wird. Andererseits, so Otto Ehrler, könne man gerade in Zeiten des Mangels auch keinen Druck auf die Ärzte ausüben, wo sie sich niederlassen. Er sieht die Zukunft in einer Satellitenpraxis einer größeren hausärztlichen Gemeinschaftspraxis, wie es sie schon im Landkreis gibt. Auch er forderte bessere Rahmenbedingungen für Hausärzte, vor allem weniger Bürokratie. Auch die Themen Hausbesuche durch medizinische Fachangestellte und Telemedizin seien sicherlich in Zukunft wichtige Lösungsansätze angesichts der zunehmenden Zahl hochbetagter Patienten, die nicht mehr so mobil sind, so alle Referenten.
Die Gemeinde jedenfalls sei weiter aktiv auf der Suche und für alle Möglichkeiten offen, so Matthias Bäuerlein. „Wenn es nur um eine Haushaltsstelle ginge, um einen Hausarzt bei uns zu etablieren, dann wäre der Gemeinderat sofort dabei. Ich bitte aber alle Bürgerinnen und Bürger, sich einzubringen, auch persönliche Kontakte zu nutzen zu Medizinern“, erklärte der Bürgermeister.
Auch eine Apotheke hätten die Rauhenebracher gerne wieder. Das sei aber „hoffnungslos“, so Ehrler. In Zeiten der Online-Apotheken sei es mehr als unwahrscheinlich, dass sich wieder ein Apotheker in Untersteinbach ansiedelt.

Im Bild: Das Interesse der Bevölkerung am Informationsabend zur ärztlichen Versorgung in Rauhenebrach war groß. Die Aula der Schule war fast voll besetzt. Foto: Sabine Weinbeer

Dies könnte Ihnen auch gefallen